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Nov 10, 2014

Germany Blog on The Huffington Post: Zwischen den Feuern, Kapitel 1: Verpflichtung (Teil 1)

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Zwischen den Feuern, Kapitel 1: Verpflichtung (Teil 1)
Nov 10th 2014, 17:33, by Ernst-Günther Tietze

Aus Kapitel 1 Verpflichtung, (Teil 1)

Tagebuch Reinhard 2. 8. 61
Am 27. Juli verhaftete mich ein Einsatzkommando aus unserer Kleinmachnower Wohnung und brachte mich in die Zentrale der Stasi, wo sie meine Fingerabdrücke nahmen und mich fotografierten. Ich musste mich nackend ausziehen, wurde abgetastet und an allen Körperöffnungen, selbst am Hintern und unter der Vorhaut untersucht und bekam einen Gefängnisdress. Eine Zelle mit Holzpritsche und Decken, Spülklosett, Waschbecken, Hocker, kleinem Tisch und einer nackten Neonröhre, die Tag und Nacht brennt, war mein Reich. Durch ein Fenster aus Glasbausteinen, konnte ich sehen, wann es Abend wurde, denn meine Uhr hatten sie mir abgenommen. In der mit zwei Riegeln und einem Schloss gesicherten Tür gab es eine Klappe, in die alle paar Stunden jemand schaute, ob ich noch am Leben war. Durch diese Klappe musste ich zur Essenszeit eine Plastikschüssel und einen Becher hinaus reichen, die mir dann gefüllt zurück gereicht wurden.

Nach vier Tagen wurde ich zum Verhör geführt. In einem größeren Raum saß an hinter einem Schreibtisch ein älterer Stasimajor, der mich fragte, ob ich wisse, warum ich hier sei. Als ich antwortete, ich hätte nicht die geringste Ahnung, warf er mir vor, Gauführer einer vormilitärischen Jugendorganisation im Westen zu sein, was den Gesetzen der DDR widerspreche. Ich bestritt den vormilitärischen Charakter der Christlichen Pfadfinder und wies auf die enge Bindung der Stämme an die Kirchengemeinden hin. Trotzdem drohte er mir einen Prozess wegen Landesverrats an. Als Alternative bot er mir eine Spitzeltätigkeit für die Stasi an und da ich mich nicht gleich entscheiden konnte, kam ich wieder in die Zelle. Heute wurde ich wieder zum Verhör gebracht, der Major riet mir dringend, mit ihnen zu kooperieren, sonst sehe es für mich sehr schlecht aus. Nachdem ich notgedrungen unterschrieben hatte, kam ich wieder nach Hause.


Abteilung XVII/1/2 des MfS, Berlin-Lichtenberg, den 5.8.1961.

An Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Potsdam Abt. XVII/4/13

Betr. IM Schlosser

Aktennotiz

Der IM ist aufzufordern, nach Westberlin zu übersiedeln und dort sein gewohntes Leben weiter zu führen. Eine Unterkunft wird von uns bezahlt. Nur dadurch ist seine weitere IM-Tätigkeit in Westberlin gewährleistet.
Hoffmann, Maj.


Tagebuch Reinhard 14. 8.61
Als gestern die Mauer gebaut wurde, wusste ich, warum ich nach Westberlin „fliehen" musste. Mir ist das sehr lieb, in Kleinmachnow wäre ich vom Studium und der CP abgeschnitten gewesen.
Heute erhielt ich einen Brief ohne Absender, der mich zu einem Treffpunkt auf einer Bank im Fischtal beorderte.


An Abteilung XVII/1/2 des MfS, 15.8.1961
Betr. IM Schlosser
Bericht
IM wurde heute kontaktiert und aufgefordert, über die Organisation und den oberen Führungskreis des Christlichen Pfadfinderbundes zu berichten. Er macht einen recht aufmüpfigen Eindruck.
Schnecke.


Abteilung XVII/1/2 des MfS, Berlin-Lichtenberg, den 17.8.1961
An IM Biene
Betr. IM Schlosser
Beobachtungsauftrag
Sie werden mit der Überwachung des IM an der Westberliner TU beauftragt. Zum Semesterbeginn schreiben Sie sich bei denselben Vorlesungen ein, die er belegt hat und versuchen, sein Vertrauen zu gewinnen. Wenn Ihnen dabei der Aufbau einer persönlichen Beziehung gelingt, wäre das von Vorteil. Ihre Aufgabe ist es, seine politische Einstellung auszuforschen und seine Verschwiegenheit über die IM-Tätigkeit zu prüfen.
Hoffmann, Maj.


An Abteilung XVII/1/2 des MfS, 2.9.1961
Betr. IM Schlosser
Bericht
Gestern nahm die Zielperson im Jugendhaus am Waldsee an einem Tanzkurs teil, die Gruppe von sieben Jungen und sechs Mädchen lernten Foxtrott und Wiener Walzer. Die Zielperson tanzte hauptsächlich und sehr wild mit einer etwa 20 jährigen blonden Dame, die Stephanie genannt wurde, doch schien keine engere Bindung mit ihr zu bestehen.
Biene


Tagebuch Reinhard 2. 9. 61
Dienstag traf ich die Kontaktpeson zum zweiten Mal und klärte ihn eingehend über die Struktur und Ziele der CP auf. Bis zum 12.9. soll ich die politische Einstellung der Pastoren ergründen.


An Abteilung XVII/1/2 des MfS, 12.9.1961
Betr. IM Schlosser
Bericht
Ich beauftragte IM, über Forschungsergebnisse und die politische Einstellung der Professoren an der TU zu berichten. Er will sich nach Semesterbeginn darum kümmern.
Schnecke.


Tagebuch Reinhard 6.10.61
In der TU habe ich die Bekanntschaft von Tina Bauer gemacht, die sich in den Vorlesungen öfter mal neben mich setzt. Sie hat einen dunkelblondem Pferdeschwanz und braune Augen, am rechten Ohr trägt sie einen hübschen Hänger. Anscheinend hat sie Probleme mit manchen technischen Begriffen, die ich ihr erläutern muss. Das Arbeiten mit ihr macht Spaß, sie scheint ein angenehmer Mensch zu sein.



An Abteilung XVII/1/2 des MfS, 17.10.1961
Betr. IM Schlosser
Bericht
IM hat die Vorlesungen des Prof. Essens besucht, der die philosophische Fakultät leitet, und einen ausführlichen Bericht über dessen kommunistische Ansichten geschrieben, der hier beiliegt. IM wurde beauftragt, die Lebensgewohnheiten dieses Professors auszuspähen.
Schnecke.


Tagebuch Reinhard 22.10.61
Jetzt muss ich Professor Essens auch privat ausspähen, das passt mir gar nicht. Gestern folgte ich ihm nach der Vorlesung aus der Uni, er wohnt in einer Villa im vornehmsten Viertel von Dahlem, für einen Kommunismus-Anhänger gar nicht schlecht.
Heute fuhr er mit einer eleganten jüngeren Dame, die nicht nach seiner Frau aussah, nach Wannsee. Die beiden liefen 15 Minuten zum Segelclub VSAW und brachten eine Yacht von ca. 12 Meter Länge an die Slip-Anlage. Dann beobachteten sie, wie das Schiff an Land gezogen und zu einem Stellplatz gebracht wurde. Sie deckten es sorgfältig ab und aßen dann im luxuriösen Restaurant des Clubs zu Mittag. Alles sehr sozialistisch! Ich schrieb über meine Beobachtungen wieder einen Bericht für die Kontaktperson.



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© Copyright 2014 Ernst-Günther Tietze Hamburg

Der Roman „Zwischen den Feuern" beschreibt auf 154 Seiten die üblen Methoden der Stasi in der Bundesrepublik und Westberlin. Er wird gedruckt bei epubli und kann im Internet und in jeder Buchhandlung bestellt werden:
Als Taschenbuch für 14,95 Euro mit ISBN-Nr. 978-3-8442-8221-4
Als e-Book für 5,49 Euro mit ISBN-Nr. 978-3-7375-0496-6
Das vorliegende Kapitel 1 umfasst im Buch 25 Seiten. Weitere Ausschnitte aus diesem und den folgenden Kapiteln des Romans werden nacheinander an dieser Stelle vorgestellt.

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